Kazimierz und die „Jüdische Stadt“
Einst eine selbstständige Stadt südlich der Wawel-Anhöhe, über die Jahrhunderte Wohnort der jüdischen Bevölkerung, heute eine der wichtigsten Touristenattraktionen in Krakau.
Die Stadt Kazimierz wurde im 14. Jahrhundert von König Kasimir dem Großen zum Schutz damaligen Hauptstadt des Königreiches von Süden her gegründet. Seine Hauptader war die Krakowska-Straße, die an der alten Handelsstraße von Krakau nach Ungarn gelegen war. Bald darauf entstanden in der Stadt monumentale Gotteshäuser, darunter die am Marktplatz (dem heutigen Wolnica-Platz) gelegene Fronleichnamkirche . Auf dem weiträumigen Marktplatz wurden das Rathaus der Stadt (in dem heute das Ethnografische Museum untergebracht ist) und Krambuden errichtet. Die Stadt Kazimierz entwickelte sich schnell. Im Mittelalter galt sie als zweitbedeutendste Stadt des Königreichs. Das Ende ihrer Glanzzeit brachte der Einfall der Schweden in den Jahren 1655-1657. Schließlich verlor Kazimierz seine Unabhängigkeit im Jahr 1800 und wurde der Stadt Krakau eingemeindet.
Die Geschichte von Kazimierz ist über die Jahrhuderte hinweg von der engen Nachbarschaft von Christen und Juden geprägt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde hier eine von Mauern umschlossene autonome Stadt für die aus Krakau umgesiedelten Juden, das Oppidum Iudaeorum, gegründet. Ihr Zentrum ist die heutige Szeroka-Straße. In ihrer Umgebung wurden mehrere Synagogen, jüdische Schulen und Institutionen eingerichtet. So entstand eine der bedeutendsten geistigen Zentren der jüdischen Kultur in Europa. Im 16. Jahrhundert wirkte hier der berühmte Gelehrte und Rektor der Talmudakademie Moses Isserles, genannt Remuh. Zu seinem Grab, dem die Legende verschiedene Wunder zuschreibt, pilgern bis heute Juden aus aller Welt. Ein Jahrhundert später studierte auf dem Dachboden der (nicht erhaltenen) Synagoge „Auf dem Bergl“ (heute Haus Nr. 22) der gelehrte Rabbi Natan Spira die Kabbala. Im Jahre 1633 ging plötzlich die Kerze aus, die zuvor jahrzehntelang über der jüdischen Stadt geleuchtet hatte – der berühmte Kabbalist war gestorben, angeblich an Erschöpfung. Im 19. Jahrhundert wurde Kazimierz zum Zentrum des orthodoxen Mosaismus und Ziel jüdischer Pilger aus der ganzen ehemaligen polnisch-litauischen Republik. 1822 wurde der Mauerrring um die Jüdische Stadt abgebrochen . Von nun an konnten dich Juden überall in Kazimierz niederlassen. In den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts stellten sie ein Viertel der Gesamtbevölkerung Krakau s dar. Der Holocaust in der Zeit desZweiten Weltkriegs brachte den tragischen Untergang der jüdischen Einwohnerschaft von Krakau.
Nach dem politischen Umbruch im Jahr 1989 begann der nach dem Krieg heruntergekommene Stadtteil aufzublühen. Heute dominieren hier Galerien, Ateliers, Restaurants, Kneipen, Hostels und Hotels. Auf dem Nowy-Platz findet wird mit Antiquitäten gehandelt. Die Spuren der alten Geschichte sind versteckt in den alten Gemäuern, Straßen und Gassen, Synagogen und Friedhöfen und Kirchen. Das Gedächntnis an diese außergewöhnliche Geschichte pflegen verschiedene Kulturinstitutionen und Vereine, vor allem aber die sich neu bildende jüdische Gemeinde.