Szeroka-Straße
Die Szeroka-Straße ist das Herz der jüdischen Stadt in Kazimierz. Von ihrer Bedeutung zeugt die Tatsache, dass an dieser Straße einst vier Synagogen standen, so viele wie nirgendwo anders in Europa.
Wie der mittelalterliche Chronist Jan Długosz berichtet, sollten hier die ersten Gebäude der im 14. Jahrhundert von König Kasimir dem Großen gestifteten Universität stehen (leider gibt es dafür keinen weiteren Beweise). Die Krakauer Juden begannen sich hier nach einem 1495 von König Jan Olbracht erlassenen Dekret niederzulassen, das sie de facto dazu zwang, Krakau zu verlassen. Bald entstand hier das Oppidum Judaeorum – die nach damaligem Brauch durch eine Mauer vom übrigen Kazimierz abgegrenzte Jüdische Stadt. Spätestens seit dem 17. Jahrhundert war ihr Zentrum die Szeroka-Straße, eigentlich ein langgezogener Platz, der eine eigentümliche sakrale und weltliche Architektur aufweist. Einst standen hier vier Synagogen. Die Remuh-Synagoge dient nach wie vor als Gotteshaus, in der Alten Synagoge befindet sich ein Museum und die 1620 entstandene Popper-Synagoge, angeblich die reichste von allen, beherbergt seit über 50 Jahren eine Abteilung des Altstädtischen Jugendkulturzentrums. Die Synagoge „Auf dem Bergl“ hingegen, das Bethaus des bedeutenden Kabbalisten Natan Spira, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und nach dem Krieg endgültig abgerissen. Angeblich kann man aber auch heute noch in manchen Nächten einen Lichtschein im ersten Stock des Hauses (Nr. 22), das heute an dieser Stelle steht, ausmachen. Das ist der Gelehrte beim Studium der heiligen Schriften und der Geheimnisse der Kabbala. Dieses Licht hatte seinerzeit wie eine Laterne über der Jüdischen Stadt geleuchtet. Eines nachts erlosch es – Rabin Spira, auch Megale Amukot genannt, war in die Ewigkeit eingegangen. Sein Grab befindet sich auf dem Remuh-Friedhof.
Im Norden der Szeroka-Straße (Nr. 6) steht das Gebäude des Ritualbades (dessen Kern ein von einer Quelle gespeistes Becken war), der sogenannten Mykwe. Es ist eine Aufzeichnung aus dem Jahr 1567 erhalten, die berichtet, dass zehn Mädchen hier ertrunken seien, weil der Boden eingebrochen war. Jüdische Frauen durften übrigens nirgendwo anders baden (außer in Heilbädern) und der Balaneus hatte die Pflicht, das Wasser an jedem Freitag aufzuheizen.
Ebenfalls am Nordende der Straße befindet sich eine kleine Grünanlage mit einer Baumgruppe und der 2016 aufgestellten Denkmalbank, die an den Helden des Polnischen Untergrundstaats (der polnischen Widerstandsbewegung im Zweiten Weltkrieg) und Zeugen des Holocausts Jan Karski erinnert. Vor dem Krieg befand sich hier ein von einer Mauer umgebener kleiner Friedhof. Der Legende zufolge soll hier einst ein Haus gestanden haben, in dem sich einmal ein etwas zu fröhliches Hochzeitsfest zutrug. Es begann am Freitagnachmittag und zog sich ungeachtet der Ermahnungen des Rabbis bezüglich des sich nähernden Sabbats bis in die Abendstunden. Da verfluchte der Rabbi das Hua und es wurde mitsamt der Hochzeitsgesellschaft vom Erdboden verschluckt… Nach einer anderen, rationaleren Theorie könnte der Friedhof die Gebeine von Opfern einer Epidemie enthalten haben, die – bis ins 19. Jahrhundert – immer separat bestattet wurden.
Heute gehört die Szeroka-Straße zu den wenigen Straßen in Krakau, in denen sich noch ein Kopfsteinpflaster aus österreichischen Zeiten erhalten hat. In dem berühmten Film Schindlers Liste von Steven Spielberg „spielte“ die Szeroka-Straße den Zgody-Platz im Krakauer Ghetto (heute Bohaterów-Getta-Platz). Alljährlich findet hier das große Abschlusskonzert Schalom auf der Szeroka des Festivals der jüdischen Kultur statt.
zwischen Miodowa- und Ciemna-Straße